18. Juni 2018
Mike Mandl
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SHIATSU IN DER KINDERPSYCHOSOMATIK

Warum wir es sein lassen sollten!

Von Alexander Kaiser

Bei Shiatsu orientieren wir uns gut und gern an der TCM, arbeiten mit Yin und Yang, verfeinern die beiden Ehepaare, die einfach nicht ohne einander können, obwohl (oder gerade weil) sie so verschieden sind mit der 5-Elementen Lehre (Wasser-Holz-Feuer-Erde-Metall…...~) und mixen den Cocktail alles nochmals mit 1., 2., und 3. Meridian-Familien. Nachdem der Klient nach diesen „Kriterien“ durchgescannt wurde und wir uns ein ganzheitliches Erscheinungs-Bild gemacht,- und als Probe das Hara berührt haben, kann die Reise los gehen. Wir geben Shiatsu. Das „Vorspiel“ rund um die Elemente klingt nach Struktur (Metall) - ist es auch. Aber irgendwie auch nicht.

Ich persönlich brauche aber eine geWISSE Sicherheit (Erde) um mich der Intuition (Wasser) im Shiatsu hingeben und dadurch eine möglichst effektive BeHandlung geben zu können. Diese Sicherheit erlerne ich einerseits von meinen Lehrern am Institut, diversen Lernunterlagen, einschlägiger Literatur und letztlich am Körper des Klienten. Mit dem roten Faden (Behandlungsstrategie) und den vielen Behandlungen, die im Zuge der Hara-Shiatsu Ausbildung nachgewiesen werden, gewinne ich zunehmend Sicherheit und Vertrauen in diesem für mich neuem Terrain. Und so wächst auch das Vertrauen in meine Intuition.

Im Rahmen der Hara-Shiatsu Ausbildung habe ich das Glück, theoretisches und praktisches Wissen in diversen Fachpraktika zu vertiefen. Und so kam es, dass ich vergangene Woche eine Kollegin im Willheminen-Spital an der kinderpsychosomatischen Abteilung vertreten durfte. Es war das erste Mal, dass ich Jugendliche mit teilweise akuten psychischen Leiden berührte. Diese Erfahrung war sehr lehrreich und aufregend. Der Praktikumsleiter – Wolfgang Löffler – ersuchte mich, diese ersten Erfahrungen zusammenzuFassen und zu blogen. Neben den vielen Eindrücken stellte ich mir eine zentrale Frage:

Was führt dazu, dass Kinder,- und Jungendliche derart früh den Boden unter den Füßen verlieren?

Die Liste die dazu führt, geht mit unterschiedlichen Lebensumständen einher. Die Beispiele dafür sind unendlich. DENNOCH, haben alle Betroffenen zumindest eines Gemeinsam: Ihnen fehlt in emotionaler Hinsicht ein warmes Zuhause, Geborgenheit, Sicherheit, Stabilität, Kontinuität, Verlässlichkeit, Liebe, eine begleitende Hand,…Und all das bekommen wir allzu oft zu wenig in der Lebensphase der 1. Meridian-Familie – also im frühen Kindes-Alter.

Das weitere Spannende daran ist auch, dass es einen Unterschied zwischen Buben (jungen Männern) und Mädchen (jungen Frauen) macht in welcher Form sie dieses Defizit ausgleichen. Während Burschen dazu neigen ihre gestaute Aggression (Holz) in Form von Schlägerein, Exzesse und/oder Sachbeschädigungen auszuleben (yang), neigen Mädchen tedenziell dazu, diese nach innen zu tragen (yin): Magersucht, Bulimie, physische Selbstverletzungen (zb.: Ritzen) sind oftmals die Folge. Unabhängig von all dem was ich bislang gelernt habe, war ich am meisten überrascht, wie sehr erwachsen diese jungen Menschen bereits wirkten. Es gab in ihrem Leben offensichtlich keinen Platz fürs Kind sein und ich möchte an Hand dessen folgendes Fallbeispiel näher schildern.

Das innere Kind knebeln – am Beispiel der 16jährigen J. (*Name geändert)

J. war gerade mal 16 Jahre geworden und hatte bereits einen 6 monatigen Klinikaufenthalt hinter – womöglich noch vor sich. Der Grund dafür: Magersucht. Im Äußeren wirkte sie wie eine erwachsene Person, mit reifen Gesichtsausdrücken und eloquenter Ausdrucksweise. Diese beeindruckte mich einerseits,- und wirkte zugleich unglaubwürdig – dem Alter nicht entsprechend! Ihre AusDRUCKsweise war zielstrebig, klar und deutlich. Sie gab vor zu wissen was sie möchte. Und sie möchte künftig auch „Nein sagen“ wenn ihr danach ist. – der Klassiker den viele Erwachsene in verschiedenste Trainings lernen und viel Geld dafür auslegen. J. lernt es jetzt schon – wobei ihre Augen dabei eingefallen und müde wirkten.

Bis zu dem Zeitpunkt als sie über Frankreich erzählte. Dann war ihr Shen (Feuer) in den Augen zu sehen. Da waren sie – die verträumten, kindlichen Augen und mit einer ordentlichen Portion Begeisterung oben drauf. Klar - es ging um Disneyland Paris. Ja genau dort möchte sie hin, wenn das alles hier vorbei ist. Bei Disneyland wirkten ihre Augen ehrlich und glaubwürdig. Sie berührten mich. Gleich darauffolgend, als ob ein böser Geist in sie gefahren wäre, erzählte sie mir, dass sie einen Körperteil an ihr hassen würde. Einen Körperteil der wegrationalisiert gehört – nämlich ihr Bauch.

What the fuck?! Wo ist Disneyland geblieben? Wo der Spaß? Wo sind die berührenden, verträumten Augen hingekommen? Einzementiert. - In ihrem Bauch versperrt. Und ja - der muss jetzt schleunigst weg! Am besten gleich mal gesprengt. Und weil das nicht geht, wird er ausgehungert. Denn es sollen keinesfalls Träume hochkommen. Schon gar nicht wenn sie nicht in das Konzept anderer passen.

Das Kind in J. soll sterben!(?)

Im Hara-Shiatsu unter-Suchen wir zuallererst den Bauch, bevor wir mit Shiatsu loslegen. Wir betrachten den Bauch als Zentrum des Geschehens. Hier ist die Zentrale des Seins. Alles was wir lieben, anstreben, hassen, mögen, ist hier gespeichert.

Der Bauch als Landkarte im Leben

Der Bauch ist für mich eine Art Landkarte im Leben, damit wir nicht die Orientierung verlieren. Und J. möchte diesen Bauch weghaben. Die Landkarte anzünden. Vernichten. Aber warum? J. ist die Tochter eines Lehrers und einer Universitätsangestellten. Es kam der Zeitpunkt, an dem sie von allen geliebt werden wollte. Ihr Plan dafür: Es allen Recht machen. J. setzte alle Hebel in Bewegung um sich anzupassen, nur damit sie von allen gemocht wird! Traurigerweise hat sie dabei auf eine Person vergessen – auf sich selbst, auf J., auf das Kind! Denn das mochte sich offensichtlich überhaupt nicht.

Nach der Behandlung hatte J. wieder funkelnde Augen und vor allem dann, wenn sie über HAND-WERK erzählte. Aus meiner Sicht trägt sie viel Sensibilität in sich und könnte Selbige in Form von Kunst zum Ausdruck bringen. Eventuell an Bildern, Holzschnitzereien, Steinfresken – wo auch immer. Ich bin überzeugt, dass sich und andere daran erfreuen würden. Ihr Shen würde am köcheln gehalten werden. Ihr Feuer würde sie antreiben, dass zu tun was sie gerne tut. Aber sie hängt in dieser 1. Meridian-Familie fest und ihr System streikt. Dennoch - ihr Shen stimmt mich zuversichtlich, dass sie ihren Weg finden wird.

Erste Eindrücke zusammengefasst

Meine Erfahrung während den Behandlungen war, dass wirklich ALLE von ihnen viel Stabilität und Halt brauchten UND was mindestens genauso wichtig für sie ist, dass sie auch KIND sein dürfen! Meine Yin Hand war zugleich die aktive Hand während den Behandlungen. Sie war wichtiger als die Meridiane und Tsubos auf den Punkt zu treffen. Wichtig war der Fokus und der lautete: „Ich bin da. Ich halte dich. Ich mag dich wie du bist.“ UND diese jungen Menschen forderten absolute Aufmerksamkeit. Sobald ich auch nur kurz unkonzentriert war, öffneten sich ihre Augen, sie beugten den Kopf hin und her oder redeten mit dem Nachbarn. An dieser Stelle, danke fürs Hier und Jetzt das ich bei euch genießen durfte.

Warum wir es sein lassen sollten

Die Chinesen sind der Ansicht, dass wir alle mit unterschiedlichen – gleich wertvollen – Voraussetzungen auf die Welt kommen. Die einen sind eher yin – andere eher yang und das drückt sich in der körperlichen und geistigen Statur eines jeden von uns aus. Und wie wir wissen, ohne yin kein yang, ohne yang, kein yin. Und genau hier gilt es anzusetzen. Wir sollten es TUNlichst vermeiden, unsere Kinder in eine Schublade zu stecken oder ihnen gar das umzuhängen, was wir als Erwachsene nicht zustande gebracht haben. Vielmehr sollten sie für ihre eigene Entfaltung, Schutz und Begleitung bieten. Im botanischen Sinne bedeutet das soviel wie, dass man der Pflanze ausreichend mit Licht (Liebe) und Wasser (Nahrung) versorgt – und zwar in dem Ausmaß wie es der Pflanze gut tut, sodass sie wachsen kann. Dabei wird ein Kaktus womöglich weniger Wasser brauchen als eine Lotusblüte.

Am Beispiel von J., die ein volles Shen trägt, und unbedingt ihr Hände benutzen möchte, würde das bedeuten, dass man sie vielleicht nicht unbedingt bis ins letzte Schuljahr zur Matura quälen soll, wenn sie mehr Freude am Tun im Sinne von (Be)-Greifen hat. Und wir müssen darauf Acht geben, dass die jeweilige Lebensphase (Baby-Kind-Jugendlich-Erwachsen) entsprechend ausgelebt wird- keinesfalls sollte eine davon übersprungen werden. Das Zeigen uns die Kinder am Willehminenberg..

In der Rolle als Shiatsu Therapeut (in Ausbildung) konnte ich die Situation trotzdem gut nehmen. Aber dennoch geht es mir nahe, wenn sich ein 16 jähriges Mädchen derart von ihrem Umfeld geknebelt fühlt und keinen für sie stimmigen Ausdruck findet, außer sich selbst zu attackieren.

In solchen Fällen geben Shiatsu Praktiker ihren Klienten gerne Hausübungen mit

Die Hausübung für J. war, dass sie ihren Bauch mal fragen soll was er ihr sagen will. Ich habe ihr zuvor geraten dies zu tun, wenn es ganz leise um sie herum ist, sie niemand sieht, oder wenn ihr mal wieder fad ist. Sie kann auch flüstern. Ähnlich wie wir als Shiatsu Praktiker mit unseren Händen dem stagnierten Chi sanft zureden und mal „hallo“ sagen ohne etwas zu wollen. Das ist alles, was ich in 3 Stunden Willehminenberg mitgenommen und gebracht habe.

Abschließend möchte ich den mutigen Kindern vom Wilheminenberg unbedingt danken! Ich danke dafür, dass sie mir so viel Nähe gezeigt haben. Sie haben das theoretische Wissen das wir aus der 1. Meridian-Familie im Unterricht gelernt haben, auf lebendige Art und Weise im realen Leben gezeigt. Aus meiner Sicht auch deshalb, weil die Ereignisse für die Ursache dieser Defizite im Bereich der 1. Meridian-Familie bei Kindern und Jugendlichen noch nicht soweit zurückliegen und präsent sind.

Sie haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, die Lebensphasen auseichend zu leben und keine davon zu überspringen. Dabei wurde eindrucksvoll bewiesen, wie sich Defizite in diesen Bereichen am Körper und der Umwelt zeigen und last but not least – noch eine kleine Bitte:

Fahren wir doch mal ins Disneyland!

… noch bevor wir mit unserem Shiatsu Diplom wacheln. Erinnern wir uns an unsere Träume und nähren wir das innere Kind liebevoll anstatt es im Keller zu knebeln. Denn dann lebt auch Disneyland (Shen) weiter! Ich werde J.s Augen nicht so schnell vergessen. Danke nochmals!

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